Mit Matthias Maurer und Christiane Heinicke durch die Galaxis
Es ist 50 Jahre her, dass der letzte Mensch auf der Mondoberfläche war. Dann verlor die Menschheit das Interesse an dem Trabanten. Missionen wurden selten.
Doch das ändert sich jetzt. China hat schon einen Rover auf die dunkle Seite geschickt. Mit dem Artemis-Mondprogramm steuern Europa, die USA und ihre Partner zurück zum Mond.
Es sollen Raumstationen und Siedlungen entstehen. Doch wie darf man sich ein Leben auf unserem nächsten stellaren Reiseziel vorstellen?
Astronaut Matthias Maurer und Geophysikerin Christiane Heinicke nehmen uns mit auf ihre Reise zum Mond.
Matthias Maurer ist im November 2021 selbst zu seinem ersten Flug ins All aufgebrochen. Fast ein halbes Jahr hat der promovierte Materialwissenschaftler auf der Internationalen Raumstation ISS verbracht. Und er ist einer der heißen Kandidaten, die bis Ende der 2020er-Jahre zum Mond fliegen und auf ihm landen könnten.
Wir sind gerade am Beginn einer ganz, ganz spannenden Zeit. Der Weltraum, der Zugang zum Weltraum verändert sich dramatisch. Und der nächste Schritt führt uns zum Mond.
Christiane Heinicke forscht am Bremer ZARM (Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie) und baut dort siloartige Häuser für den Mond und Mars. Sie selbst war ein Jahr lang Crew-Mitglied einer analogen Marsmission, bei der die Gegebenheiten auf dem roten Planeten simuliert wurden.
Wenn ich ein Habitat für den Mond bauen kann, dann kann ich es auch für den Mars bauen. Und das ist auch die Logik dahinter: Dass wir erst für den Mond bauen und dann das verbesserte Habitat zum Mars schicken.
Der Mond soll dabei nur das Sprungbrett zu anderen Welten und Monden sein. Für die amerikanische Raumfahrtbehörde Nasa ist das Artemis-Projekt auf dem Mond der erste Schritt zu einer bemannten Mission zum Mars – die vielleicht schon in den 2030er-Jahren erfolgen kann.
Doch direkt zum Mond fliegen? Das geht nicht. Immerhin muss die neue Technik für eine sichere Mondlandung erst getestet werden. Das Risiko eines Fehlschlags könnte das Ende des Artemis-Programms bedeuten. Deshalb will die Menschheit schrittweise innerhalb dieses Jahrzehntes zum Erdtrabanten zurückkehren.
Um zum Mond zu kommen, braucht man ein Raumschiff und das ist nach dem berühmten Orion-Nebel benannt. Im Orion-Raumschiff sollen vier Personen Platz haben und es soll seine Crew vom Erdorbit bis zum Mond transportieren.
Auch Europa spielt dabei eine Rolle, das weiß auch Matthias Maurer:
Die Artemis-Kooperation zwischen Esa und Nasa sieht einen festen Plan vor. Und in diesem Plan haben wir drei Flüge für europäische Astronauten.
Zunächst sollen sie zu einer Raumstation gebracht werden, die den Mond umkreist: das Lunar Gateway. Die ersten Module der Raumstation sollen voraussichtlich Ende 2024 in die Mondumlaufbahn geflogen werden.
Zuerst einmal werden wir eine kleine Raumstation bauen, konstruieren, die um den Mond fliegen wird. Und dann werden wir von dieser Station aus auf dem Mond landen. Und das Ganze passiert in der zweiten Hälfte der 20er-Jahre.
Die erste Mondlandung wird aber noch ohne einen Zwischenstopp auf dem Lunar Gateway erfolgen. Denn die Raumstation wird bis dahin noch nicht komplett fertiggestellt sein.
In Zukunft soll das Lunar Gateway jedoch als eine Art Bushaltestelle dienen. Das Orion-Raumschiff wird seine Crew dort hinbringen und dann warten die Raumfahrenden entweder auf ihre Landung auf dem Mond oder ihr Busticket zum Mars.
Währenddessen wird auf dem Mond allmählich eine erste Bodenstation entstehen, in der Menschen leben können. Anders als auf der Erde gibt es auf dem Mond keinen Sauerstoff. Und Wasser brauchen wir doch auch zum Leben.
Die Station bedarf Atemluft und diese Luft, die müssen wir auf dem Mond erzeugen. Wir wissen, der Mond hat keine Atmosphäre. Aber wir wissen auch in ganz, ganz tiefen Mondkratern, die so tief sind, dass dort nie Sonnenlicht reinkommt, gibt es Wassereis.
Und dieses Wassereis müssen wir bergen und das können wir dann schmelzen. Das ist Trinkwasser, aber es ist auch gleichzeitig Atemluft, weil ich kann ja Wasser aufspalten in Sauerstoff und Wasserstoff.
Doch nicht nur in den Mondkratern befindet sich Wasser. Auch im Mondstaub gibt es in winzigen Mengen Wasseranteile. Das konnten chinesische Forschende beweisen. Ende 2019 hatte Chinas Raumfahrtbehörde CNSA nämlich mit der Change’e 5 Mission eine Bodenprobe vom Mond zur Erde geschickt. So konnte nachgewiesen werden, dass auf eine Tonne Mondregolith 120 Gramm Wasser kommen müssen.
Und Staub gibt es genug auf dem Mond. Mit der Chang’e 4 Mission hatte der Mondrover Yutu-2 den Boden auf der "dunklen Seite" des Mondes mit Radarwellen durchleuchtet. Die oberste Regolith-Schicht soll bis zu zwölf Meter dick sein.
Doch der Mondstaub kann tückisch sein, weiß Christiane Heinicke:
Der Regolith, der Mondstaub, der hat die unangenehme Eigenschaft, dass er extrem scharfkantig ist und teilweise auch elektrostatisch aufgeladen ist. Das heißt, er klebt wunderbar überall dran. Wenn ich den einmal auf meinem Anzug drauf habe, dann kann ich ihn nicht mehr abbürsten.
Er ist so fein und scharfkantig, dass er beim Einatmen die Atemwege und Lunge schädigen kann. Bereits bei den Apollo-Astronauten hatte sich der Mondstaub durch die Raumanzüge gefressen. Daher darf der Staub nicht in die zukünftigen Mondhäuser.
Doch wie könnte ein Haus auf dem Mond aussehen? Christiane Heinicke arbeitet an intelligenten Habitaten für den Mond und Mars. Es sind Silo-ähnliche Module, die bis zu sechs Astronautinnen und Astronauten beherbergen können.
Das Konzept von Heinicke und ihrem Team sieht sechs Module vor. „Durch die Modularität ist es auch so, dass man weitere Module anbauen und eben mehr Personen unterbringen kann“, sagt die Physikerin und Ingenieurin.
Es ist aber nicht so, dass jede Person ihr eigenes Modul erhält:
Es soll schon die Gruppe dann jeweils gemeinsam im Küchenmodul essen oder im Schlafmodul mit sechs Schlafmöglichkeiten schlafen.
Und der Mondstaub? Den könnte man laut Heinicke mit Elektromagneten auffangen. Eine weitere Maßnahme: Die Luftschleuse muss so gebaut sein, dass man nicht mit dem Anzug ins Wohnzimmer läuft.
Und warum Silos? Warum keine rechteckigen Häuser wie auf der Erde?
Im Inneren der Habitate herrscht ein großer Druck, um eine lebensfreundliche Umgebung zu schaffen. Außen ist der atmosphärische Druck jedoch sehr gering.
Das Habitat würde ausbeulen und könnte dadurch Risse bekommen. Anders bei Heinickes Konzept:
Beim Zylinder habe ich bereits diese ausgebeulte, diese runde Form.
So weit, so gut. Doch bei den ersten Mission muss man alles mitnehmen: Wasser, fertige Nahrung und Baumaterial. Der Transport ist extrem teuer und wird per Kilogramm Fracht gemessen.
Heinicke weiß daher, dass man langfristig Methoden zum Lebensmittelanbau finden müsse:
Und das Wasser, was wir da verbrauchen, wird wieder aufbereitet und wieder getrunken, es wird wieder wiederverwertet, sodass ich am Ende nur winzige Bruchteile dessen mitnehmen muss, was ich brauche.
Matthias Maurer sieht es ähnlich:
Wenn wir zum Mond fliegen und dort eine Station bauen, dann müssen wir natürlich lernen, wie wir das mit den Ressourcen vor Ort machen können. Wir können jetzt nicht Beton von der Erde aus einfliegen, das wäre unbezahlbar. Das heißt, wir müssen lernen, wie wir aus dem Mondsand Mondsteine bauen.
Den Mondsand und das vorhandene Gestein zu nutzen, hat zwei zusätzliche Vorteile. Es schützt vor kleinen Meteoriden-Einschlägen und vor der gefährlichen Weltraumstrahlung – die auch das Krebsrisiko bei den zukünftigen Mondmenschen erhöhen kann.
Wenn man den Mondsand oder die geformten Mondsteine aber um die Habitate baut, können diese die Strahlung abhalten. Deswegen sollte man auf ein besonderes Verfahren setzen:
Bei In-Situ-Verfahren geht es ja darum, die Rohstoffe oder die Materialien zu nutzen, die man vor Ort findet, weil es eben viel billiger ist, als alles von der Erde mitzuschleppen.
Das Habitat-Konzept von Heinicke und ihrem Team ist für die ersten Missionen zum Mond oder Mars gedacht. Für eine Zeit, in der noch keine Infrastruktur auf der neuen Heimat existiert, es keine Produktionsanlagen gibt und man noch alles selbst mitbringen muss.
Wenn die Module auf dem Mond einmal gelandet sind, dann müssen sie von Robotern aufgestellt werden. Meiner Meinung nach sollte dieser Aufbau stattfinden, bevor die ersten Menschen dort überhaupt hinfliegen.
Die erste Bodenstation auf dem Mond könnte bereits Ende der 2020er-Jahre entstehen.
Christiane Heinicke könnte sich den Aufenthalt in einem Haus auf dem Mond gut vorstellen:
Ich persönlich könnte mir durchaus vorstellen, auf dem Mond zu leben. Zumindest eine Zeit lang, weil mir gefällt die Erde doch ganz gut. Ich glaube, ich würde schon wieder zurückkommen. Aber so für einige Monate, vielleicht sogar für einige Jahre – je nachdem was gebraucht wird –, das könnte ich mir durchaus vorstellen.
Und vielleicht wird es bald auch einen Mond-Matthias geben:
Mit ein bisschen Glück – ich bin da sehr, sehr optimistisch – werde ich die Gelegenheit haben, Ende dieser 20er-Jahre von dieser Raumstation aus auf dem Mond zu landen.
Und falls doch nicht, ist er sich sicher, „dass spätestens die Astronauten, die die Esa jetzt gerade aussucht, hervorragende Chancen haben werden“.
Autor: Patrick Klapetz
Eine Produktion von MDR WISSEN
Bilder: Nasa, Esa, ZARM (Universität Bremen), SpaceIsMore, HI-SEAS, Jinhai Zhang, Bin Zhou, Yangting Lin et al., Foster + Partners, Buzz Aldrin
Video: MDR, Andreas Spiegel, Patrick Klapetz