Diese Website verwendet Funktionen, die Ihr Browser nicht unterstützt. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf eine aktuelle Version.
MDR

Bilder: Privat, dpa, MDR und xcitePRESS
Musik:  Lux Aurumque von Eric Whitacre interpretiert vom MDR-Runfunkchor
Videos: Bianca Stelzner, Friederike Rohmann, Wiebke Schindler

Medien
  • MDR
  •  | MDR/Privat

Corona - Trauer und Verlust

Der Ton kann über das Lautsprecher-Symbol in der Navigationsleiste wieder deaktiviert werden.

Alle haben auf ein schnelles Ende der Corona-Pandemie gehofft. Doch im April 2021 erleben wir bereits ihre dritte Welle, ein Ende ist noch nicht in Sicht. Weltweit zählt die Weltgesundheitsorganisation, Stand 17. April 2021, rund 139 Millionen Infizierte, sind fast drei Millionen Menschen an oder mit Corona gestorben, davon mehr als 80.000 in Deutschland. Zum Vergleich: Die Stadt Dessau-Roßlau hat rund 81.000 Einwohner, Weimar und Plauen haben je rund 65.000.

Das tägliche Verlesen von Zahlen zu Neuinfektionen, Inzidenzen und Verstorbenen gleicht inzwischen einem Ritual. Nur selten aber wird darüber gesprochen, wer sich hinter diesen Daten verbirgt. Oder verbarg.

Wie Cordula Heß (61), gestorben am 16. November 2020, Radeberg, Ronny Liebold (56) gestorben am 29. November 2020, Reinsdorf bei Zwickau, Jörg Walther (59), gestorben in der Nacht zum 26. Dezember 2020, Neukirchen/Pleiße bei Zwickau, Wolfgang Q. (87), gestorben am 2. Januar 2021, aus Bitterfeld, Philipp Sch., (84) gestorben am 8. Januar 2021, aus Naumburg und Jürgen Lück (53), gestorben am 16. Februar 2021 aus Marisfeld, deren Schicksale für viele stehen.



Gesichter hinter den Zahlen



Cordula Heß (†61)

... war mutig, sagt ihr Mann Winfried Rommerskirch, hat sich gekümmert und für andere eingesetzt. "Sie liebte die Oper, hat gerne im Chor gesungen, in der Dresdner Singakademie, das gab ihr Kraft und Freude." Doch das bloße Singen reichte ihr nicht, sie arbeitete auch im Förderverein des Chores und im Vorstand der kirchlichen Musikschule in Radeberg mit.

Die Anwältin mit SPD-Parteibuch war nach der Wiedervereinigung aus Nordrhein-Westfalen nach Sachsen gezogen, hatte in Dresden eine Kanzlei aufgebaut. Einen Namen als Juristin machte sie sich unter anderen bei der Pleite der BFI-Bank 2003 und als Anleger-Vertreterin im Infinus-Skandal 2014.

Heß war nicht nur Anwältin, sie war auch Politikerin. Sie war Stadträtin in Radeberg, gehörte zum Ortschaftsrat Großerkmannsdorf und saß im Kreistag Bautzen. Laut "Sächsischer Zeitung" gab es wohl kaum eine Debatte im Radeberger Stadtrat, in der sie sich nicht zu Wort gemeldet hat.

2014 kandidierte sie für den Landtag, kämpfte für die Themen Mindestlohn und Bildung – mit dem Wissen, dass ihr Engagement an dieser Stelle aussichtslos war, erzählt ihr Mann Winfried.

Er zeichnet das Bild einer starken Frau, lebensfroh und direkt: Einer Frau, die Freundschaften pflegte, mit ihrer Sandkastenfreundin aus dem Kindergarten schon ein Leben lang. Die gutes Essen liebte, gerne Leute eingeladen und gefeiert hat. Die eine spitze Zunge hatte und manchmal mit ihrer Kritik auch verletzte.

Als Diabetikerin hatte sie Angst vor Covid-19. Sie war vorsichtig. Und eigentlich wollte sie gerade ihre Kanzleianteile verkaufen, Ende 2020 beruflich kürzer treten. Dann infizierte sich die 61-Jährige mit dem Coronavirus. Am 16. November 2020 verlor sie den Kampf gegen die Krankheit.

Sie liebte die Oper, sie war mutig, pflegte Freundschaften, .. sie liebte gutes Essen. Sie starb für uns alle viel zu früh.



Philipp Sch. (†84)

Philipp Sch. kannte jeden Stein in Naumburg, der Stadt, in der er Ende des Zweiten Weltkriegs gestrandet war. 1936 als drittes von vier Kindern in Debluvka in Galizien geboren, siedelte er zusammen mit der Familie 1940 in den Warthegau um und 1945 nach Naumburg an der Saale.

Philipp Sch. blieb in Naumburg, wurde Zimmermann und gründete eine Familie, erzählt seine Tochter Claudia B., die noch im Hochzeitsjahr ihrer Eltern das Licht der Welt erblickte. Sie hat ihren Vater als bescheidenen und fleißigen Mann kennengelernt, die Güte in Person.

"Er hatte das Glück, 1991 in den Vorruhestand zu treten und einen wundervollen langen Lebensabend mit seiner Frau zu erleben. Bis ins hohe Alter unterstützte er Freunde und Familienangehörige tatkräftig mit seinen langjährigen Erfahrungen beim Hausbau und Sanierung sowie Gartenarbeiten – er konnte nie nein sagen." Philipp Sch. war still, hat gerne in einer Ecke ein Buch gelesen, war Karl-May-Fan. Er war immer in Bewegung, Geschichte hat ihn sehr interessiert, alte Gemäuer: "Er kannte fast jeden Stein in Naumburg", erzählt seine Tochter – reisen aber mochte er nicht. Daher sei es auch schwer gefallen, engen Kontakt mit der Familie seiner Tochter in der Nürnberger Gegend zu halten.

Unter Quarantäne

Seine letzten Monate allerdings verbrachte er in einem Pflegeheim in Wendelstein bei Nürnberg. Sein Kopf wollte nicht mehr, er hatte ebenso wie seine Frau eine Demenz entwickelt, beide waren vollstationär besser aufgehoben, daher holte Claudia B. das Paar zu sich nach Bayern. Die Nähe 2020 genoss sie sehr. Trotz aller Corona-Einschränkungen. Dann, Ende 2020, ging alles sehr schnell. "Anfang Dezember wurde das Pflegeheim unter Quarantäne gestellt und an Heiligabend erhielt ich die Hiobsbotschaft, dass beide Eltern infiziert sind. Von da an ging es schnell. Ich weiß, dass sein Lebenswille nicht mehr stark war. Am 8. Januar erfuhr ich spätabends, dass mein Vater im Schlaf verstorben ist, zwei Tage vor dem 62. Hochzeitstag."

Einen Trost hat Claudia B.. Ihrem Vater blieb ein langes und schweres Krankenlager erspart. Und: Er konnte bis zur letzten Minute bei seiner Ehefrau sein. Philipp Sch., starb im Alter von 84 Jahren am 8. Januar 2021.

Für den Lebensabend hatten wir jedoch ganz andere Vorstellungen. Eine unbeschwerte gemeinsame – ganz normale – Zeit im Kreis der Familie.



Ronny Liebold (†56)

Wenn Kitty Liebold ihren Vater beschreibt, spricht sie von einem Herzensmenschen, einem Strahlemann. Ronny Liebold war Vater von drei Kindern und Großvater von vier Enkelkindern.

Der Elektriker hatte nach der Wiedervereinigung seine eigene kleine Firma gegründet. "Seit wir denken können", schreibt die Tochter, "war unser Papa immer viel beschäftigt." Turbulenzen meisterte er gemeinsam mit ihrer Mutter und seine Kinder unterstützte er auf allen Lebenswegen, bei Umzügen, Haus- oder Umbauten.

Ritterburg-Bauer und Kapitän

Und vielleicht gerade weil ihm die Selbständigkeit viel abverlangte, genoss er seine Freizeit in vollen Zügen, reiste gern, segelte auf einer nahegelegenen Talsperre, fuhr Ski und liebte das Motorradfahren mit Freunden.

Sein Freundeskreis schätzte seine witzige und zuverlässige Art, erzählt Kitty Liebold, jeder konnte ihn um Hilfe bitten und erhielt diese auch. Besonders stolz aber war er auf seine vier Enkel, die er mit spannenden Geschichten, Wald- und Nachtwanderungen, Lagerfeuern und Bauprojekten begeisterte. Als er der Meinung war, die Jungs brauchen eine Ritterburg, stellte er sich hin und baute eine aus Holzpaletten in den Garten.

Sein Tod kam für uns alle so plötzlich und unerwartet. Wir waren bis zur letzten Minute überzeugt, dass er die Krankheit besiegen kann. Er war ein Kämpfer und wir sind uns sicher, er hat alles dafür getan, um bei uns bleiben zu können.

Kaum Luft für einen kurzen Abschied

Die Infektion hatte sich Ronny Liebold wohl auf Montage geholt. Er bekam zuerst Schüttelfrost und Fieber wie bei einer Erkältung, fühlte sich ungewöhnlich schlapp. Über das Wochenende wurde es schlimmer, dann der Test. Positiv. Der Husten nahm zu und die Müdigkeit auch.

Schließlich schickte ihn seine Frau ins Krankenhaus, am sechsten Tag nach Symptombeginn, dem 29. Oktober 2020. Erst war er auf der Isolierstation, dann kam er auf die Intensivstation und wenige Tage später wurde er ins künstliche Koma versetzt. Zuvor reicht ihm die Ärztin noch einmal das Telefon. Es ist sein letztes Telefonat mit seiner Frau, unter höchster Anstrengung, die Luft reicht nur für einen kurzen Abschied.

Abschied am ersten Advent

Am 18. November überschlagen sich für die Familie die Ereignisse. Ronny Liebold braucht ECMO-Beatmung, wird nach Leipzig verlegt – ein riskanter Transport. Zehn Tage später klingelt das Telefon. Die Behandlungsmethoden sind ausgeschöpft, die Mediziner wissen nicht, ob der 56-Jährige die nächste Nacht überlebt: "Am Morgen des 29. November 2020, 07:20 Uhr kam der Anruf, den wir uns nie haben vorstellen wollen", berichtet Kitty Liebold. "Das Klinikum verständigte uns über den Tod unseres Papas. Er war um 07:12 Uhr eingeschlafen. Letztliche Todesursache: Multiorganversagen. Es war der 1. Advent."



Jörg Walther (†59)

Jörg Walther war Ehemann, Vater und vierfacher Großvater. "Er hat seine Kinder und Enkel auf Händen getragen", sagt seine Tochter Maxi Himmler, "er hat immer alles möglich gemacht. Für mich, für meine Mutter". Die Enkel haben ihn sehr beeinflusst, immer war er für sie da. "Wann und wo soll ich sein, das war sein Satz." Maxi Himmler beschreibt ihren Vater als einem wundervollen Menschen, ihren Fels, ihren Halt.

Sterbenskrank innerhalb weniger Tage

Dass er Risikopatient ist, war der Familie bewusst. Mit diesem Wissen und mit Respekt ging die Familie durch den Sommer und durch den Herbst, und Corona kam immer näher. Dann war die Infektion da, mit den typischen zunächst Erkältungssymptomen, die sich verschlimmerten. Die Familie drängt ihn ins Krankenhaus, Maxi mit einem Satz, über den sie heute noch den Kopf schüttelt: "Papa, ich möchte meinen Kindern nicht irgendwann mal sagen, dass der Opa tot ist, weil er zu stolz ist ins Krankenhaus zu gehen. .. Dass ich Recht behalte, ist absolut Irrsinn." Schließlich fährt er in die Klinik und dort geht alles plötzlich, innerhalb weniger Tage ist Jörg Walther sterbenskrank.

Wir haben uns vor das Krankenhaus gestellt. Am Abend bevor er starb, standen wir lange davor, unter den Fenstern, um ihm ein wenig nahe sein zu können. Als wäre es unser Abschied gewesen. In der Nacht zum 26.12.20 der Anruf, dass er verstorben ist. Wir können es immer noch nicht fassen.

Leider musste er den Weg im Krankenhaus allein gehen, bedauert Maxi Himmler. Sie und ihr Vater konnten noch telefonieren. Sie hat sein Lächeln gespürt. Trost spendete ihr die Trauerfeier. Im Freien, trotz schlechten Wetters, um niemanden zu gefährden. Dankbar ist sie für die Trauerkarten. Sie wühlen den Schmerz auf und tun zugleich gut, denn sie zeigen, dass die Menschen an ihren Vater denken. Dankbar ist sie auch dafür, dass sie die Urne ihres Vaters zum Grab tragen und so einen letzten Weg gemeinsam gehen durfte.

Wolfgang Q. (†88)

Wolfgang Q. ist am 2. Januar an Corona gestorben, kurz vor seinem 88. Geburtstag. Er war früher Lehrer und nicht nur seine Schüler, auch seine vier Enkelkinder haben viel von ihm gelernt, berichtet Kirsti Gräf, eine der Enkelinnen.

Bis zur Infektion mit dem Virus war der Bitterfelder rüstig und kümmerte sich um seine Ehefrau – die nach einer Krebserkrankung und fast blind seit Jahren auf seine Hilfe angewiesen war.

Beide mieden in der Corona-Zeit soziale Kontakte und sie erledigten nur notwendige Wege, dennoch dann im Dezember Erkältungssymptome. Die Hausärztin empfahl Zwiebelsaft. Dann, nach einem Sturz aus dem Bett, kam Wolfgang Q. in die Klinik, um einen Bruch auszuschließen. Der Corona-Test fiel positiv aus. Die Großmutter und Gräfs Onkel hielten telefonischen Kontakt zur Klinik, die einzige Verbindung zu ihm.

Sorgenvolle Quarantäne - allein

Besonders schwierig: Auch die Großmutter musste in Quarantäne, war in ihrer größten Sorge allein. Die Familie musste sie über Weihnachten telefonisch zum Essen, Trinken und Leben motivieren, obwohl die Nachrichten aus der Klinik jeden Tag schlechter wurden: Intensivstation, die Dialyse und die künstliche Beatmung.

Drei Wochen später stirbt Wolfgang Q.. In seinen letzten Minuten durfte ihn seine Familie noch einmal sehen, musste dabei aber hinter einer Glasscheibe bleiben. Danach war kein weiteres Abschiednehmen möglich.

Das ist das, was bis heute so weh tut. Ihn im Sterben nicht begleiten zu dürfen, nicht zu wissen, was er an seinem Lebensende dachte und fühlte, kein Abschiedskuss, kein noch einmal über seinen Kopf streicheln und auch kein gemeinsames Beisammensein und Kaffeetrinken nach der Trauerfeier.

Gräf ist Trauerbegleiterin. Sie weiß, wie wichtig solche Dinge im Trauerprozess sind. Sie konnte die Rituale und Brücken, die sie in ihren Beratungen empfiehlt, weder für sich noch für ihre Familie nutzen.



Jürgen Lück (53)

Anke Lück beschreibt ihren Mann als liebenswert, neugierig und lebensfroh, als verständnisvollen Ehemann, Partner, besten Freund und liebevollen Vater. Als Mensch mit einem prall gefüllten Leben.

Er spielte viele Jahre aktiv Schlagzeug und war seit 22 Jahren Mitglied bei den Singertaler in Themar und die letzten Jahre ehrenamtlich für den Ton zuständig. Fürsorglich und hilfsbereit, immer ein offenes Ohr für Menschen in seiner Umgebung, so beschreibt ihn seine Frau, er konnte kochen, backen – war der perfekte Hausmann. Im Winter ging es mit der Familie und Freunden zum Skifahren nach Südtirol und im Sommer ging es nach Mecklenburg-Vorpommern an die Ostsee – die Heimat von Anke Lück.

Toll war sein trockener Humor und sein Schalk, er hatte immer einen lustigen Spruch parat. Alle schätzten ihn als verlässlichen, kreativen und hilfsbereiten Freund. Er liebte Eisenbahnen und den Modellbau. Im Sommer verbrachte er viel Zeit im Garten und zur Entspannung hatte er einen Teich mit Goldfischen angelegt, die er oft beobachtete.

Viele Jahre arbeitete er leidenschaftlich als Bäckermeister und liebte sein Handwerk. Seit einigen Jahren war er auch ehrenamtlich als Versichertenältester für die deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland tätig. Er half dabei, Witwer- und Witwenrenten zu beantragen, so war er oft mit dem Tod konfrontiert. Der Tod war kein Tabuthema für das Paar, er hatte auch für diesen Fall Vorkehrungen getroffen, seine Vorstellungen schriftlich festgehalten. Dass er so schnell kommen würde, hatten beide nicht erwartet.

Seit 2017 pflegte Jürgen Lück mit seiner Mutter den 86 Jahre alten Vater. Durch Corona gab es keine Betreuung in der Tagespflege mehr, lediglich der ambulante Pflegedienst kam früh und abends für ca. 20 Minuten – die einzige Hilfe von außen – die wohl zuletzt Corona mit ins Haus brachte. "Wir haben uns sonst an alles gehalten, sogar Weihnachten ohne die Kinder verbracht", erzählt Anke Lück. Im Januar hatte dann die ganze Familie Corona, alle lagen mehr als zwei Wochen flach. Erst musste Lücks Vater ins Krankenhaus, Jürgen Lück folgte am 26. Januar. "Er ist noch in den Rettungswagen gelaufen und in der Nacht noch ins Koma versetzt worden." Er starb nach 21 Tagen Koma ohne Besuch, ohne Beistand durch seine Familie am 16. Februar 2021.

Schlimm finden wir, das wir uns rechtfertigen müssen, das unser lieber Jürgen "nur" an Corona gestorben ist. Das Verhalten mancher Leute uns gegenüber macht uns wütend. Er hatte keine organischen Vorerkrankungen. Dieser Virus ist so unberechenbar. Wir sind unendlich traurig. Wir vermissen Dich.
0:00/0:00

Gehen ohne Abschied

Wer an oder mit Corona stirbt, stirbt einsam. Mediziner und Pflegekräfte sind auf den isolierten Intensivstationen oft die einzigen Begleiter – wie Samantha Schwarze und Nadine Pasold, Pflegerinnen in einem Seniorenheim in Saalburg-Ebersfeld. Bei einem Corona-Ausbruch starben dort elf von 40 Bewohnern: "Was ich als sehr schlimm empfunden habe, dass man sich nicht richtig verabschieden konnte", sagt Schwarze.

"Es gab auch Momente, wo ich zu Hause saß und einfach nur geheult habe", erzählt Schwarze. Wie sie die Zeit geschafft haben? Pasold weiß es nicht mehr so genau: "Wir haben nur noch funktioniert."



0:00/0:00



"Manchmal, wenn man nach Hause gegangen ist, waren alle Worte aufgebraucht", berichtet Svenja Teufert vom Höhepunkt der zweiten Welle. Die Psychologin steht mit einer Kollegin Kranken und Angehörigen an der Uniklinik Leipzig bei, auch auf der Covid-Intensivstation. Während der zweiten Welle im Dezember starben dort nach Angaben von Christoph Josten, dem Medizinischen Vorstand der Universitätsklinik Leipzig, mehr als 40 Prozent der Patienten.

"Es gab Tage, an denen viele Patienten gestorben waren. Und an denen es so war, dass man irgendwann um die Mittagszeit herum das vierte Telefonat geführt hat mit einer Familie, die gerade diesen Verlust erfahren hat. Die in einer Ausnahmesituation war. Ganz oft auch, ohne sich zu verabschieden", sagt Svenja Teufert.

Die Psychologinnen sind sich sicher: Vielen wird dieser letzte Moment, das letzte Bild, fehlen, um die Trauer und den Verlust zu verarbeiten.

Die Mediziner, Psychologinnen und Pflegekräfte der Heime und Corona-Stationen helfen. Sie stabilisieren und ermöglichen Abschiede, wann immer das geht. Die Familie oder Freunde ersetzen sie nicht. Diesen bleibt oft ein Blick durch die Glasscheibe und ein Telefonat – oder wie Maxi Himmler der gemeinsame Weg zum Grab. Doch für den Trauerprozess reicht das oftmals nicht, fürchten Trauerbegleiter.





0:00/0:00

Kitty Liebold und Maxi Himmler haben durch Corona ihre Väter verloren. Sie versuchen, den Verlust gemeinsam zu bewältigen.



Da wo es keinen richtigen Abschied gibt, kann die Trauer nicht beginnen. Für die Betroffenen ist das nicht gut. Der Bundesverband Trauerbegleitung warnt in einer Bundestagspetition vor den Folgen nicht bewältigter Trauer, fordert mehr Unterstützung für die Betroffenen. Ganz explizit bezieht er auch die Familien mit ein, die derzeit nicht-corona-bedingte Verluste verarbeiten müssen.

In den vergangenen Wochen und Monaten ist es Vielen so ergangen. Sie konnten sich nicht von ihren Lieben verabschieden, konnten nichts tun - und wollten es doch so sehr.

Selbst der Abschied auf Trauerfeiern mit Gesprächen, Gesten und Umarmungen in der Familie, mit Freunden und Bekannten war wegen Corona-Schutzverordnungen nicht möglich.



0:00/0:00

Meißen war in den vergangenen Monaten ein Hotspot. Wie geht die Kommune mit Corona um? Eine Reportage.





305.641 verlorene Lebensjahre allein 2020

Einige in Deutschland zweifeln an Corona. Sichtbar werden die Toten nur, wenn der Krankenwagen kommt oder wenn Bestatter am Limit Särge in Kühlhallen stapeln.

Doch das Virus ist real. Nach Berechnungen des Robert Koch-Institutes (RKI) gingen allein 2020 in Deutschland 305.641 Lebensjahre verloren, haben rund 80.000 Menschen diese Infektion nicht überlebt. Damit erweist sich diese Pandemie als gefährlicher als die Grippewelle 2017/2018, die als die tödlichste der vergangenen drei Jahrzehnte gilt – mit nach Angaben des RKI rund 25.100 Todesopfern bundesweit

In Mitteldeutschland haben sich seit Beginn der Pandemie 434.000 Menschen (Stand 17. April 2021) mit dem Coronavirus infiziert. 15.440 Menschen haben hier die Infektion nicht überlebt, rund 8.815 in Sachsen, rund 3.665 in Thüringen und rund 2.960 in Sachsen-Anhalt.