San Luca. Ein Dorf im Süden Kalabriens in Italien. Rund 3.700 Menschen leben hier, am Fuße des Aspromonte-Gebirges. Der Ort gilt als die Brutstätte der kalabrische Mafia - der 'Ndrangheta
San Luca ist aber viel mehr als nur die Mafia. Vor allem ist es Heimat für viele Menschen, die unter dem Stigma Mafia-Dorf leiden. Wie wurde der Ort zur Wiege der 'Ndrangheta? Immer wieder reisen wir an die Südspitze Italiens und suchen nach Antworten.
Als Kern der 'Ndrangheta gelten fünf Familien aus San Luca, die rechtskräftig als Clans anerkannt sind. Um sie herum scharen sich jedoch weitere Familien, aus denen Angehörige für die 'Ndrangheta arbeiten. Die Mitglieder der Clans von San Luca sind blutsverwandt. Es ist fast unmöglich, die Mauer des Schweigens zu durchbrechen. Denn wer aussagt, verrät die eigene Familie. Oft festigen die Clans ihre Macht durch Eheschließungen.
Das Geschäftsmodell der 'Ndrangheta hat sich in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt. In den 1970-er Jahren etwa verschleppte sie Menschen, oft aus prominenten Familien, und erpresste von deren Angehörigen Millionen. Das prominenteste Opfer war der Enkel eines amerikanischen Ölmagnaten; John Paul Getty III. Seine Familie zahlte rund 2,8 Millionen Dollar Lösegeld. Die Lösegelder flossen in Bauprojekte in Kalabrien und Norditalien. Und dann in den Handel mit Drogen.
Die Clans der 'Ndrangheta legen ihre Plantagen auch unterirdisch an - in Bunkern. Solche Bunker dienen auch gesuchten Mafia-Größen als Verstecke. Carabinieri-Kommandant Michele Fiorentino zeigt uns einen solchen Bunker. Er befindet sich unter einer Lagerhalle und ist über 300 Quadratmeter groß. Hier soll sich ein hochrangiges Mitglied des Pelle-Clans versteckt haben.
Im Jahr 2007 sorgt eine Bluttat in Deutschland für Aufsehen: Sechs Männer werden in Duisburg erschossen. Die Opfer sind allesamt Mitglieder des Pelle-Clans der 'Ndrangheta in San Luca. Auch die mutmaßlichen Mörder kommen von dort. Nach Erkenntnissen der deutschen und italienischen Ermittler ist eine Fehde zwischen zwei Mafia-Clans der Grund für den Mehrfachmord von Duisburg.
Die 'Ndrangheta ist schon seit Jahrzehnten in Deutschland aktiv. Das Land ist eine wichtige Drehscheibe für ihren Kokainhandel. Und in Deutschland wird das Geld gewaschen, das mit dem Drogenhandel erwirtschaftet wird. Die Geldwäsche findet nach Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden vor allem in Gaststätten statt.
Kalabrien ist heute noch die ärmste Region Italiens und die Geschichte ihrer Menschen ist historisch stark durch Migration geprägt. Viele San Luceser zog es auf der Suche nach Arbeit und ein besseres Leben in die ganze Welt - nach Australien, Kanada oder in Europa nach Belgien oder Deutschland. Für die 'Ndrangheta ist das ein wichtiges Reservoir zum Rekrutieren von Personal.
Um in der Gastronomie zu arbeiten, brauchte man keine Ausbildung. Dazu war das italienische Essen in Deutschland damals wie heute sehr gefragt. Schnell verstanden auch die Kriminellen das Potenzial von Restaurants. Die Restaurants sind auch Tarnung. Wer kommt schon auf die Idee, dass die netten Wirte Geld waschen, das die 'Ndrangheta in anderen Ländern mit Kokainhandel erwirtschaftet hat?
Die Restaurants der 'Ndrangheta in Deutschland sind auch "Ausbildungs-Betriebe" für den Mafia-Nachwuchs, wie Oliver Huth vom LKA Nordrein-Westfalen erläutert.
Nicht alles und alle in San Luca gehören zur 'Ndrangheta. Auch wenn der öffentliche Eindruck etwa durch aufsehenerregende Verhaftungen und Berichte über die Mafia genauso ist. Viele Bewohner des Dorfes bedauern das - und leiden darunter.
Mit Projekten wie Jugendfreizeiten und Workshops versuchen Pfarrer und Kirchgemeinde, die Entwicklung der jungen Menschen im Ort zu fördern. San Luca und die gesamte Region Kalabrien leiden unter hoher Arbeitslosigkeit und schlechter Anbindung an den Rest des Landes.
Der Film in der MDR-Mediathek (30 min)
Hier können Sie die Dokumentation in der MDR-Mediathek anschauen.
Der Film auf Youtube (60 min)
Hier können Sie die Dokumentation im Channel MDR investigativ auf Youtube anschauen
Die 'Ndrangheta in Thüringen und Sachsen
Hier erfahren Sie mehr über die Ermittlungen der Polizei in Mitteldeutschland
Text: Axel Hemmerling, Dirk Reinhardt Gestaltung: Dirk Reinhardt Fotos: Margherita Bettoni, Axel Hemmerling, David Klaubert Redaktion: Axel Hemmerling