Was in der Bombennacht geschah
13. / 14. Februar 1945Mythos DresdenDer lange Schatten einer Bombennacht
Bis heute wird in Internetforen und alljährlich auf Kundgebungen um die Interpretation der Bombennacht gestritten:
War der Angriff der Briten und Amerikaner strategisch notwendig in der letzten Phase des Krieges oder nur die sinnlose Zerstörung einer intakten "unschuldigen" Stadt mit tausenden zivilen Opfern?
Historiker"Das war wie ein Meisterstück"Frederick Taylor
Der britische Historiker Frederick Taylor meint, aus Sicht der Alliierten damals war die Bombardierung Dresdens "wie ein Meisterstück".
Der Luftkrieg
Noch im Februar 1945 schlagen V2-Raketen in London ein. Jede einzelne ein Argument, weiter deutsche Städte zu zerstören.
HistorikerWarum eine Stadt zerstören?Jörg Friedrich
Warum zum Ende des Krieges zivile Ziele ins Visier genommen werden? "Die Idee war, ganz rücksichtslos Panik und Chaos in der Stadtmitte zu verursachen", sagt der Historiker Frederick Taylor über die Bombardierung Dresdens und sein Kollege Jörg Friedrich erklärt: "Die Infrastruktur einer Stadt zu vernichten, ist militärisch viel effektiver, als eine Kaserne zu zerstören."
Moral Bombing"Wir werden sehen, wer Recht hat."Arthur Harris, Oberbefehlshaber des Bomber Command der Royal Air Force
Die alliierte Aufklärung hat das Dresdner Stadtgebiet schon am 17. April 1942 erfasst. Das belegen Luftaufnahmen aus dem Archiv der Royal Air Force. Der Neumarkt und die ihn flankierenden Straßen liegen im Zentrum des Zielgebiets. Hier gibt es unzählige Kunst- und Kulturdenkmäler.
Auf der Liste der GroßmächteDresden als "besonders lohnendes Ziel"
Das "Moral Bombing" zielt aber nicht nur auf die deutschen Städte, sondern soll Stalin auch zeigen, welche Zerstörungskraft die britische Bomberflotte besitzt. Eine Machtdemonstration, die schon verweist auf die Gefechte der Zukunft unter den Großmächten.
Historiker"Wie brennt eine deutsche Stadt?"Jörg Friedrich
Wie eine deutsche Stadt brennt, dazu wurden regelrecht Experimente gemacht, erklärt Historiker Jörg Friedrich.
Historiker"Luftschutz? Improvisiert."Matthias Neutzner
Und gegen Ende des Krieges stellt auch die deutsche Luftabwehr keine Bedrohung mehr dar. Jagdflugzeuge der Wehrmacht stehen ohne Treibstoff auf dem Flugplatz Dresden-Klotzsche. Die Flakgeschütze sind an die nahe Ostfront verlegt.
Historiker"Die Stadt lag nackt da"Frederick Taylor
In der Nacht zum 14. Februar kommt gegen 1 Uhr die zweite riesige Bomberflotte und braucht keine Orientierungshilfen mehr. Der Cocktail aus Spreng- und Brandbomben hat seine Wirkung getan. Die lodernde Stadt ist bereits aus über 80 Kilometer Entfernung zu erkennen. Perfekt für den Angriff, "the Raid that went horribly right."
Der Feuersturm
Der Feuersturm saugt den Sauerstoff aus den Kellern. Flammen und Rauch breiten sich mit rasender Geschwindigkeit in dem unterirdischen Labyrinth aus. Wer es nach draußen schafft, muss sich den Weg bahnen durch die Feuerhölle.
Der Mythos entsteht
Vier Wochen nach dem Angriff sind 18.375 Bombenopfer geborgen. Insgesamt, so meldet der Dresdner Polizeipräsident nach Berlin, ist mit bis zu 25.000 Toten zu rechnen.
Propagandaminister Joseph Goebbels lässt wider besseren Wissens Angaben von 200.000 Toten und mehr in Umlauf bringen. Ausländische Zeitungen greifen die Fantasiezahlen auf und verbreiten sie weiter. Der Mythos Dresden entsteht.
... und hält sich auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs
Im Westen wird vor allem der kulturelle Verlust beklagt. In der DDR prangert die Propaganda die vermeintlich verbrecherische Kriegsführung der Westalliierten an.
Der Mythos lebt
Nach sechs Jahren Arbeit legen die Experten ihren Abschlussbericht vor. Zwischen 18.000 und 25.000 Menschen, so das Ergebnis, kamen in der Bombennacht um.
Doch damit gibt es noch längst keinen Schlussstrich unter die Debatte, wie jedes Jahr am 13. Februar in Dresden zu sehen ist.
Zeitzeugen und Zeitzeugnisse
ZeitzeugenHans-Joachim Dietze "Flammenwände am Dresdner Hauptbahnhof, Menschen als schwarze Schatten"
Über 600 Menschen sterben allein dort in diesen Stunden, sie ersticken oder verbrennen.
ZeitzeugenDresden-Hauptbahnhof
Nur wenige Häuser weiter befindet sich die GESTAPO-Zentrale. Von der Bismarckstraße aus organisierte man die Deportation der Dresdner Juden.
Zeitzeugen"Plötzlich konfrontiert mit dem Grauen des Krieges"
Seine Kamera umklammert er fest, auch als er nach dem ersten Angriff wieder auf die Straße tritt und sein brennendes Wohnhaus sieht. Er hält den Moment fest.
ZeitzeugenDresden-Altstadt
Militärisch wichtige Objekte gibt es in Dresdens historischer Mitte nicht - nur viele ärmliche Wohnquartiere hinter prächtigen barocken Fassaden. Dennoch wird das Areal im Bombenhagel versinken.
ZeitzeugenGerhard Zimmermann"Raus dem Keller"
Ebenso wie das Wohnhaus seiner Familie mit Blick auf die Frauenkirche - Dritter Hinterhof, Wasser und Toilette außerhalb auf dem Gang, die Kohlen zum Heizen im Hängeboden über dem Flur: "Können Sie sich vorstellen, wie das gebrannt hat?
Nach der zweiten Angriffswelle bietet auch der Keller des Hauses keinen Schutz mehr.
Zeitzeugen"Wir brauchten kein Klassentreffen"
Von Gerhard Zimmermanns Klassenkameraden überlebten nur drei. Lakonisch sagt er, "ein Klassentreffen brauchten wir also nie zu machen".
ZeitzeugenDresden-Johannstadt
ZeitzeugenAnita John
Gegen den Feuersturm, den die zweite Angriffswelle um 1 Uhr nachts erzeugt, gibt es kaum Schutz. Auch die Bewohner der Johannstadt werden von der Wucht überrascht. Sie sind in den Kellern gefangen.
Zeitzeugen"Wie ein Engel schwebte sie uns davon"Hans- Joachim Dietze
Hans-Joachim Dietze kann entkommen. Danach muss er damals mitansehen, wie eine junge Mutter mit ihrem kleinen Kind einfach im Feuersturm verschwindet.
Zeitzeugen"Jetzt bist Du allein"Anita John
Die Stadt war unfähig, ihre Bürger vor den Bomben zu schützen. Nach den Angriffen müssen Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter helfen, die Bombenopfer zu bergen.
ZeugnisseRoter Sandstein
Zu den Fundstücken aus der Bombennacht gehören Flaschen und Gläser. Deformiert von den hohen Temperaturen. Auch der Sandstein - bevorzugtes Baumaterial im barocken Dresden - verrät, welche Hitze in den Kellern herrschte. Erst bei 800 bis 1.000 Grad verfärbt sich gelber Sandstein ins Rote.
Zeitzeugen"Das war doch so"Anita John
Für viele alte Dresdner scheint damit wenigstens jene Wunde geschlossen, die die Bombennacht in das Stadtbild riss.
Der Untergang von Dresden
Die Angriffe im Februar 1945Der Untergang von Dresden
Bei den schwersten Luftangriffen auf Dresden in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar werfen 772 englische Flugzeuge Typ Lancaster in zwei Wellen ihre Bomben ab. Am Mittag des 14. Februar tauchen 311 B-17-Bomber der Amerikaner über der brennenden Stadt auf.
13. Februar1. Angriff
21:59 Uhr: Die Luftschutzleitung meldet "Feindliche Kampfverbände im Raum Dresden-Pirna". Dreimal wurde die Stadt bislang bombardiert, doch das waren Schläge gegen Bahnhöfe und Industrieanlagen.
22:03 Uhr: Angriff. An Fallschirmen gehen die "Christbäume" der Markierungsbomber nieder und reißen die alte Barockstadt aus dem nächtlichen Dunkel. In knapp 20 Minuten werfen die Männer der Royal Air Force hunderte Tonnen Minen-, Spreng- und Brandbomben über Dresden ab.
23:30 Uhr: Entwarnung
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14. Februar2. Angriff
Angriff: 01:23 bis 01:55 Uhr. Erneut fallen hunderte Spreng- und Brandbomben auf die bereits in Flammen stehende Altstadt, mittendrin das Wahrzeichen - die Frauenkirche.
Auch in der Dresdner Johannstadt - einem reinen Wohnviertel weit weg von Bahnhof und Altstadt - werden fast ganze Straßenzüge mit Brand- und Sprengbomben belegt, hunderte Anwohner werden vom nun entfachten Feuersturm überrascht.
Entwarnung: 02:15 Uhr
14. Februar3. Angriff
Alarm: 12:00 Uhr. Mitten in die Bergungsarbeiten hinein, ertönen erneut Motorengeräusche. 311 B-17 Bomber sind über der Stadt. Offizielles Ziel: das Reichsbahn-Ausbesserungswerk und der Bahnhof Friedrichstadt im Westen.
Angriff: 12:17-12:30 Uhr. Noch einmal 775 Tonnen Bomben fallen auf das bislang unzerstörte Stadtgebiet.
Entwarnung: 12:45 Uhr
15. Februar4. Angriff
Angriff: 11:51 bis 12:01 Uhr. Auch am 15. Februar kommt es zu einem weiteren Angriff von 210 B-17-Bombern der Amerikaner, die knapp 500 Tonnen Sprengbomben abwerfen. Die Ziele liegen verstreut, konzentrierte Abwürfe gibt es am Landgericht.
Entwarnung: 12:30 Uhr
Die Angriffe im Februar 1945Die Schreckensbilanz
Militärische und wirtschaftlich bedeutsame Anlagen der Stadt erleiden kaum Beschädigungen.
Um den Ausbruch von Seuchen zu verhindern, werden auf dem Altmarkt 6.865 Tote eingeäschert - auf Bahngleisen als Rost. Das Verfahren stammt aus dem Vernichtungslager Treblinka.
Chronologie zum Bombenkrieg
ChronologieDer Bombenkrieg
Im September 1941 - wenige Monate nach dem Überfall auf die Sowjetunion - ändert sich die strategische Lage. Dem britischen Premier Winston Churchill wird ein Plan vorgelegt, 43 deutsche Großstädte aus der Luft zu vernichten. Er ist skeptisch, geht aber darauf ein.
Am Ende werden die Alliierten feststellen, dass der Bombenterror das Ende des NS-Regimes nicht unbedingt beschleunigt, sondern die so genannte Volksgemeinschaft - aus "gewitzten Schiebern" und "Habenichtsen" zunächst zusammenschweißt.
"Luftschlacht um England"1940
Am 14. November ist Coventry an der Reihe. Getroffen wird ein Flugzeug-Motorenwerk, vor allem aber große Teile der historischen Innenstadt. Die zerstörte Kathedrale wird zum Symbol für barbarische Kriegsführung.
Bis zum Kriegsende sterben über 43.000 Engländer bei den Bombardements.
Moral Bombing1941
Wenige Wochen zuvor hat mit der Operation "Barbarossa" am 22. Juni der Überfall auf die Sowjetunion begonnen. In den ersten Stunden hat die deutsche Luftwaffe rund 2.300 sowjetische Flugzeuge, die meisten am Boden, zerstört. Die bis dahin zahlenmäßig stärkste Luftmacht.
"Area Bombing Directive" 1942
Oberbefehlshaber des Bomber Command wird am 23. Februar mit Arthur Harris ein überzeugter Verfechter dieser Strategie. Hohe eigene Verluste sind einkalkuliert: 55.564 von insgesamt 110.000 RAF-Angehörigen kommen ums Leben - jeder Zweite.
Am 28./29. März erfolgt mit dem Angriff auf Lübeck der erste Test, eine Stadt abzubrennen. Städte mit mittelalterlichen Zentren gelten als besonders verwundbar durch Brandbomben und damit als bevorzugtes Ziel. "Baedeker-Bombing" nennt die RAF das Verfahren.
Die alliierte Aufklärung erfasst das Dresdner Stadtgebiet am 17. April 1942.
Combined Bombing Offensive 1943
Nach der Vernichtung der 6. Armee in der Schlacht um Stalingrad mobilisiert Goebbels in seiner Sportpalastrede vom 18. Februar zum Totalen Krieg.
Britische und US-Bomber fliegen zwischen dem 24./25. Juli und bis 3. August vier Nacht - und drei Tagesangriffe auf Hamburg. In der Nacht zum 28. Juli kommt es zum Feuersturm. Rund 35.000 Menschen sterben in der "Operation Gomorrha", 900.000 werden ausgebombt.
Selbst die Briten sind überrascht, nie zuvor hatten ihre Bomben eine derart zerstörerische Wirkung erzielt, wie auch eins der Bilder aus den Tagen danach zeigt.
1944
Am 17. Juni kommt es zum Abschuss der ersten V1 gegen England, später folgen V2-Raketen, die vor allem gegen Antwerpen eingesetzt werden. 30.000 Menschen fallen diesen Angriffen zum Opfer.
1945
13. / 14. Februar: Bei den alliierten Angriffen auf Dresden sterben nach heutigen Schätzungen 25.000 Menschen. 350.000 verlieren ihr Obdacht.
Nach dem großen Medienecho distanziert sich Premier Churchill vom Bomber Command-Chef Arthur Harris und mahnt einen Strategiewechsel an. Militärisch relevante Objekten sollen Ziel sein, "statt dass wir Terror und zügellose Zerstörung verbreiten, so eindrucksvoll dies auch immer sein mag."
23./ 24. Februar: Auch in Pforzheim entfachen die Angriffe einen Feuersturm, jeder dritte Bewohner der Stadt stirbt. insgesamt ist von 20.000 Toten die Rede. Als letzte bis dahin unversehrte Stadt wird am 14. April Potsdam schwer getroffen.
Sendungen & Links
Tipps & Links
Hand in Hand: Gedenken 75 Jahre nach der Zerstörung Dresdens
Sondersendung zum Geschehen in der Stadt: vom Erinnern am Heidefriedhof, der zentralen Veranstaltung im Kulturpalast mit Bundespräsident Steinmeier bis zur Menschenkette und dem stillen Gedenken an der Frauenkirche. MDR TV | 13.02.2020 | 14:45 Uhr
Podcast: Lebensretter
Als 12-Jährige überlebt Anita John die Bombennacht von Dresden wie durch ein Wunder. Sie spricht heute über die Nacht, in der sie alles andere verlor.
George Bähr: Die Frauenkirche und ihr Architekt
Die Frauenkirche zu Dresden strahlt als Friedenssymbol in die Welt. Die Lebensgeschichte ihres Erbauers George Bähr wird in diesem "Lebenslauf" nachgezeichnet. MDR TV | 13.02.2020| 23:20 Uhr
Datenprojekt | 1945: Unsere Städte
Von der Zerstörung zum Wiederaufbau
1945: Kriegsende in Mitteldeutschland
Im Mai 1945 endet der Zweite Weltkrieg in Europa. Mitteldeutschland wird in den letzten Monaten ein Brennpunkt des Kampfgeschehens. Zehntausende Zivilisten und Soldaten sterben durch Bomben, blutige Kämpfe sowie Kriegs- und NS-Verbrechen. Was zwischen Januar und Mai 1945 in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen geschah.